Panentheismus

 

 

I. Definition

 

Universum + x  =  Gott/Göttin

 

oder

 

Panentheismus ist von den drei altgriechischen Wörtern pan(=alles), en(=in) und theos(=Gott) abgeleitet und heißt deshalb wörtlich: alles in Gott. 

 

Die englische Prozesstheologie (process theology) entspricht weitestgehend dem Ansatz des Panentheismus.

 

 

 

 

II. Bedeutung

 

Der Panentheismus ist ein Ansatz, "nach dem 'Gott zwar in der Welt ist, aber nicht völlig in ihr aufgeht'".

(Denis Schmelter)

 

oder

 

"Alles in der Welt ist in Gott in dem Sinne, dass es Inhalt vernünftiger Gedanken Gottes ist."

(Holm Tetens)

 

oder

 

Das Modell "ist von der Metapher der Welt als Körper Gottes geprägt. Gott und Welt sind dabei nicht identisch, da Gott mehr ist, größer ist als die Welt, die Welt aber in Gott ist".

(Julia Enxing)

 

 

 

III. Vorteile

 

Panentheismus ist ...

 

 

1. ein ökologischer Ansatz und damit auch nicht anthropozentrisch. Die Natur ist heilig.

 

"Jedes Ding hat sakramentalen Charakter oder kann sakramentalen Charakter haben."

Leonardo Boff, Schrei der Erde - Schrei der Armen, S. 243

 

2. kompatibel mit dem mordernen Verständnis von Wissenschaft.

 

"Ich sehe derzeit sechs Motive, die dazu angetan sind, den Panentheismus für eine zukunftsträchtige philosophisch-theologische Denkform zu halten, die der Norm der interlektuellen Redlichkeit im Kontext der spätmodernen Wissensgesellschaft gerecht zu werden ... vermag."

Klaus Müller, Gott jenseits von Gott, S. 278

 

3. gekennzeichnet durch eine Aufwertung des menschlichen Körpers.

 

"Theologie steht vor der Herausforderung, mit ihrer körperfeindlichen Tradition zu brechen und es als ... zentrale Aufgabe zu sehen, ein neues Bewusstsein von diesem Körper zu fordern und zu fördern."

Julia Enxing, Die ökologische Krise aus panentheistischer Sicht, S. 74

 

4. gegen Machtkonzentration und willkürlichen Gebrauch von Macht.

 

"Die Alternative zur Allmacht liegt in der risikoreichen Interaktivität der Beziehung. Sie wirft die Geschöpfe nicht in eine deistische Leere ... . Sie ruft sie immer wieder hervor, lädt sie ein ... zur Selbstverwirklichung."

Catherine Keller, Über das Geheimnis, S. 137

 

5. ein Konzept für viele Religionen. Die montheistischen Religionen (Christentum, Judentum und Islam) können

    panentheistisch verstanden werden, möglicherweise auch einige andere.

 

"Und klar ist auch, dass es sich beim Panentheismus um ein interkulturelles Paradigma handelt."

Klaus Müller, Gott jenseits von Gott, S. 282

 

 

 

 

IV. Immanenz

 

Der wichtigste inhaltliche Aspekt des Panentheismus ist die Betonung der Immanenz des Göttlichen. Im Gegensatz zur heute vorherrschenden Meinung vieler christlicher Kirchen, die die Transzendenz (jenseits der Welt sein) Gottes betonen, setzt der Panentheismus auf ein ausgewogenes Verhältnis von Transzendenz und Immanenz (in der Welt sein). Immanenz ist erfahrbar ...

 

an bestimmten Orten

 

"Nature-based religious places ... can be forests or parts of forests, rivers, lakes, trees, mountains, waterfalls, and rocks. They are meeting places between haven and earth and between the visible and the invisible worlds."

Jacob Olupona, Religion and Ecology in African Culture and Society. In: Roger S. Gottlieb (Edit.), The Oxford Handbook of Religion and Ecology, New York 2006, 267

 

in Ritualen

 

"Anytime you dance, anywhere ... dance to heal the earth! Let your feet beat a healing rythm into the earth. ... Let your feet beat a life-giving rythm ... ."

Dee Smith, "Dance to heal the earth". In: Roger S. Gottlieb (Edit.), This sacred Earth, Religion, Nature, Environment. New York/London 2004, 513

 

durch beobachten

 

"Da die Welt in Gott ist und Gott in der Welt ist, können wir Gott in der Schöpfung begegnen, ohne Gott dabei je ins Angesicht zu blicken."

Julia Enxing, Die ökologische Krise aus panentheistischer Sicht, S. 64

 

in Erzählungen

 

"Die Geschichte des erscheinenden Universums ist nun unsere vorherrschende heilige Geschichte."

Thomas Berry, Das Wilde und das Heilige, Uhlstädt-Kirchhasel 2011, S. 171

 

 

 

 

V. Vertreter*innen

 

Karl Christian Friedrich Krause (1781 - 1832)

Deutscher Philosophn und Erfinder des Begriffs 'Panentheismus'.

 

Charles Hartshorne (1897 - 2000)

Amerikanischer Philosoph und Begründer der Prozesstheologie.

 

Leonardo Boff (1938)

Brasilianischer Befreiungstheologe.

 

Holm Tetens (1948)

Deutscher Philosoph.

 

Catherine Keller (1953)

Amerikanische Theologin.

 

Klaus Müller (1955)

Deutscher Religionsphilosoph.

 

Julia Enxing (1983)

Deutsche Feministin und Theologin.

 

Und viele andere.

 

 

 

 

VI. Literatur

 

Julia Enxing, Die ökologische Krise aus panenthesistischer Sicht, in: Karlheinz Ruhstorfer (Hg.), Das Ewige im Fluss der Zeit, Freiburg 2016

 

Catherine Keller, Über das Geheimnis. Gott erkennen im Werden der Welt, Freiburg 2013

 

Leonardo Boff, Schrei der Erde - Schrei der Armen, Düsseldorf 2002

 

Klaus Müller, Gott jenseits von Gott, Münster 2021

 

Thomas Berry, Das Wilde und das Heilige, Uhlstädt-Kirchhasel 2011